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Glückspforte 

Hisako Matsubara: 1980


Kein Übersetzer,  keine japanische Ausgabe.

 

Eine Japanerin verfasste einen deutschen Roman über das Deutsch-Japanische Verhältnis. 

 

Sie geht in dem Buch nicht zimperlich mit den Figuren um. Weder die Japaner noch die Deutschen kommen in der Geschichte gut weg.  Bis auf Rosaly.

 

Doch zunächst lernen wir Uba kennen. Die Dame Uba, wie sie im weiteren  Verlauf oft genannt wird.  Die uneheliche, spät anerkannte Tochter einer Matratzen-Geisha (wie die Autorin die Edel-Prostituierten nennt) und eines Ministers erlebte ihre Glanzzeit in den 60ger Jahren. Damals kam sie von einem langjährigen Aufenthalt in Europa zurück und brachte ihr Europabuch auf den Markt. Kein realistisches Buch, mehr eine Art verklärtes Märchen darüber, wie die prächtigen Menschen des Westens ihr zu Füßen lagen.  Jahre lang zehrte sie von diesem Ruhm, das noch junge Fernsehen, die Magazine, sie alle rissen sich um die Dame Uba.  Damals stand die Glückspforte weit offen und die Glücksgeister tanzten durch ihr Leben.

Dann schwand der Ruhm, ihr Vater starb, ebenso der  Oyabun (der Chefs des Geisha-Hauses ihrer Mutter).  Viele andere Japanerinnen sind inzwischen aus Europa zurückgekehrt. Es wimmelt von Büchern über Europa.  Jetzt, fünfzehn Jahre nach ihrem großen Erfolg, ist die Glückspforte fest verschlossen.

Geblieben sind der Dame Uba die Falten, aus denen der Puder bröckelt, wenn sie das Gesicht verzieht und Piccolo, ihr Hündchen mit dem räudigen Fell. Und vor allem ihr Ehrgeiz. Sie will zurück ins Rampenlich. Sie braucht Kontakte und Informationen. Irgendwann wird sie jemanden finden, der  ihr hilft, die Glücksgötter zurückzurufen.

Und diesen jemand findet sie in Maxill. Als Diplomat lebte er über 20 Jahre in Japan und weigerte sich mit Erfolg die Sprache zu lernen. Die Dame Uba fängt ihn und seine Frau Rosaly in der Lobby des Hotels ab, schmeichelt ihm, erinnert ihn an seine Glanzzeiten und erschleicht sich eine Einladung nach Deutschland.

Dort kann Maxill in seiner neuen Aufgabe als Leiter der Asienabteilung der Deutschen Welle eine Europakennerin, die in ihrer Heimat sehr geschätzt wird, gut gebrauchen.

Dame Uba bezieht Quartier im Gästezimmer seines Hauses in Köln. Seine Frau Rosaly empfindet von Anfang an eine Abneigung gegen die Japanerin. Ihr Bauchgefühl lässt sich aber nicht belegen.  All ihre Einwände gegen die Dame Uba stoßen auf taube Ohren. 

Die Monate ziehen ins Land. Maxill fühlt sich als Japankenner bestätigt, dadurch dass die Dame Uba Beiträge für die Deutsche Welle verfasst. In Japanisch.  Dass der höfliche, japanische Übersetzer die wortgetreuen deutschen Fassungen  nicht herausrücken will, stört ihn nicht. Alle Beschwerden seiner Frau und der Putzhilfe werden wegdiskutiert.  Alles läuft bestens -

-  Für Dame Uba.  Während Maxill glaubt, sie verbreite gute Neuigkeiten über die „Deutsche Welle“ in Japan, erzählt sie den japanischen Journalisten Märchen über ihre Bedeutung in Deutschland. Aus Maxill wird in den japanischen Magazinen ein Gärtner.  Sie, die Dame Uba wurde von ganz oben (dem Bundespräsidenten) ersucht, das schlechte deutsche Radioprogramm zu verbessern.

Während Maxill alles tut, um die bröckelnde Fassade der Dame Uba vor allem für sein eigenes Ego aufrecht zu erhalten,  fühlt sich Rosaly immer unglücklicher in ihrer Ehe. 

Wann wird alles in sich zusammenfallen und die Beteiligten unter den Trümmern begraben?

 

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Heute mit Internet, Handys und den vielen japankundigen Anime- und Mangafans wäre solch eine Täuschung natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch in den 70gern, sprichwörtlich „Lost in Translation“ ist Maxill auf das angewiesen, was ihm die Dame Uba auf Englisch erzählt.  Diese spielt mit seiner Eitelkeit wie auf einem Instrument, wird sie von Rosaly bei einer Flunkerei ertappt, gibt sie die Gekränkte und Maxill sieht sich genötigt sie zu versöhnen

.

Vor allem der Anfang und das Ende werden aus der Sicht der Dame Uba erzählt.  Den Mittelteil beherrschen die Sichtweisen Maxills und Rosalys.

 

Doch gerade in den Uba-Teilen  finden sich meine liebsten Sprachbilder.

„Uba hüllte ihre Stimme in seidene Tücher.“

„Lügen brauchen tiefe Wurzeln, hatte der Oyabun gesagt, sonst gräbt sie jemand aus.“

„Sie trug ihr scheues Lächeln die Treppe hinab.“

 

Beim Lesen stört es, dass bei der wörtlichen Rede die Anführungszeichen fehlen und an einigen Stellen gerät der Erzählfluss ins Stocken.  Als Leser möchte man Maxill die Augen öffnen über seinen japanischen Gast. Doch Maxill in seiner Selbstgefälligkeit und seiner  Geringschätzung seiner Frau gegenüber ist kein Sympathieträger. Und irgendwie gönnt man ihm die Schwierigkeiten, in die er durch seine Eitelkeit geraten ist. Einzig mit Rosaly hat man Mitleid, freut sich, wenn sie Boden gegenüber Dame Uba gut machen kann, ärgert sich, wenn Maxill wieder auf deren statt auf Rosalys Seite steht.

 

Ein unterhaltsames Buch, das schlechten Eigenschaften in Deutschen und Japanern gleichermaßen den Spiegel vorhält.

 

 

ISBN 3813505634 – leider nur noch antiquarisch erhältlich.

 

Mehr über die Autorin bei wikipedia

 

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