Peter Carey und sein Sohn Charley entdecken eine gemeinsame Leidenschaft: Manga/ Anime und deren Herkunftsland Japan. Was liegt da näher, als dorthin zu reisen und besondere Orte und Persönlichkeiten kennen zu lernen?
Es wird eine abwechslungsreiche Reise mit Überraschungen, erstaunlichen Einsichten, aber auch peinlichen Momenten.
Charley hat von seinem Vater verlangt, auf „echtes“ Japan (Kultur, Museen und ähnliches) zu verzichten. Es sollte rein um Manga und Anime gehen.
Was aber sein durfte, war ein Ryokan, also ein Gasthaus im traditionellen Stil mit Mattenböden und einem gemeinsamen Bad. Einzig die Toiletten sind nicht traditionell sondern hypermodern mit vielen Funktionen.
Das bleibt nicht die einzige Überraschung für Peter Carey. Sein Sohn hat sich mit einem Freund aus dem Internet verabredet, Takahashi, einem Teenager mit Punkfrisur, der ihnen sein Handy leiht und sie auf einige Ausflüge begleitet.
Diese sind in ihren Zielen breit gefächtert. Neben einem Schwertschmied und einem Abstecher ins Kabuki stehen hauptsächlich Besuche bei Anime-Studios / -Regisseuren und Mangazeichnern an.
Obwohl es einige sehr interessante Dinge zu erfahren gibt, ist man ein bisschen peinlich berührt über die ungeschickten Fragen, die Peter Carey mitunter stellt. Zudem trägt er seine vorgefasste Meinungen über kulturelle Hintergründe und die Gedankengänge der Japaner an die Interviewpartner heran. Aber er lässt sich immer ohne große Gegenwehr eines Besseren belehren.
Am meisten beeindruckt hat mich das Kapitel, wo ein alter japanischer Herr, der als 12jähriger das Ende des zweiten Weltkriegs miterlebt hat, seine schlimmste Zeit während der Brandbombenangriffe der US-Flieger schildert.
Man hört in den Medien immer sehr viel über die Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki, die Brandbombenangriffe auf all die anderen Städte, Dörfer, Anlagen und Arbeiter finden kaum Erwähnung, obwohl auch sie zu den schrecklichsten Taten des Krieges gehören. Für Carey , der als Amerikaner nie in einer zerbombten Stadt ums Überleben kämpfen musste, hat diese Geschichte sichtlich mehr Schrecken als für einen Europäer, der weiß, dass es vielen europäischen Städten ganz ähnlich erging.
Die zweite, für mich besonders interessante Stelle ist ein Fernsehnachmittag mit einem befreundeten japanischen Architekten. Careys Idee mit ihm gemeinsam den wunderbaren Film „Totoro“ anzusehen um herauszufinden, was ein Japaner mehr sieht und hört als ein westlicher Fan trotz guter Übersetzung entdecken kann. Das führt zu einigen für mich erstaunlichen Einsichten: Woran man ein Geisterhaus erkennt, welche Shinto-Zeremonien für das Errichten eines Hauses wesentlich waren und anderes mehr.
Die knapp 134 Seiten Text sind nicht wirklich viel Lesestoff, aber sie vermitteln auch eingefleischten Manga/Anime/Japanfans die eine oder andere Information, die man nicht so leicht anderswo findet. Zugleich bekommt man den Eindruck vermittelt dass, egal wie man sich als Fremder auch bemüht, man stets wie ein Elefant im Porzellanladen auftritt und peinliche Momente nicht zu vermeiden sind.
Peter Carey erzählt kurzweilig, aber die Interviewabläufe sind nicht wirklich spannend.
Ein nettes Werk für einen kurzweiligen Abend oder eine längere Reise.
Wrong about Japan
Peter Carey
Eine Tokyoreise
Fischer Taschenbuchverlag 2007
ISBN: 9783596168408
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