Laura Joh Rowland
Der Kirschblütenmord
Ein historischer Kriminalroman verspricht Spannung vor einem interessanten Hintergrund. Noch dazu der Schauplatz des alten Edo in der Blütezeit des Shogunats.
Held dieses Abenteuers (und der Folgebände der Serie) ist San Ichiro, frisch gebackenes Mitglied der Polizeitruppe von Edo. Eigentlich ein Geschichtslehrer, der nur durch die Fürsprache eines wohlhabenden Mentors zu seinem Posten gekommen ist.
Er versucht allen gerecht zu werden, seinem Fürsprecher, seinem Vorgesetzten, den Bürgern und vor allem natürlich seiner Familie und den Hoffnungen, die sein alter Vater in ihn setzt.
Doch schon seine ersten Amtshandlungen werden von Missfallensäußerungen aus den Reihen seiner Kollegen und einer scharfen Zurechtweisung seitens seines Vorgesetzten begleitet.
Irgendwie passt er einfach nicht in diesen bequemen Trupp, die eigentlich eher katzbuckeln und vertuschen, als aufklären wollen. Dazu kommt, dass der ihm zugewiesene Schreiber, ein unbegabter Jüngling ohne großen Respekt ihm seine Arbeit auch nicht erleichtert.
Sein schmieriger Vorgesetzter betraut ihn mit einer neuen Aufgabe: Er soll den Selbstmord eines Liebespaares aufklären. Der Mann ist von geringem Stand, die Frau jedoch die Tochter eines Fürsten. Damit die pikanten Umstände nicht an die große Glocke gehängt werden, ist der Leichnam der Frau bereits an die Familie weiter gegeben worden, und die Leiche des Mannes liegt im Gefängnis, wo sie nach dem Willen von Ichiros Vorgesetzten bestraft werden sollte.
San Ichiro stößt im Gefängnis auf einen Heilpraktiker, der dort seine lebenslange Haft verbüßt als Strafe dafür, dass er von den Holländern Medizin lernen wollte und das ist für Ichiro ein Segen. Dr. Ito, wie der Mann genannt wird, findet heraus, dass der angebliche Selbstmord keiner war.
Und damit steht Ichiro vor einem riesigen Dilemma: Sein Drang die Wahrheit herauszufinden gegen den Gehorsam gegenüber seinem Vorgesetzten (und damit gegenüber seinem Gönner und schlussendlich seinem Vater). Er entscheidet sich für das erste und von da an ist sein Weg nicht nur steinig sondern auch voller Fallstricke und Felsbrocken.
Mehr möchte ich vom Inhalt her nicht verraten. Die Autorin hat sich sehr bemüht, das alte Edo auferstehen zu lassen. Es wimmelt von japanischen Ausdrücken, die noch dazu kursiv geschrieben sind und im Anschluss an 474 Seiten Spannung erläutert werden. Mir persönlich wurde dadurch der Lesefluss zu sehr unterbrochen.
Es ist eben ein schwieriger Spagat zwischen zwei Lesergruppen: jene, die wie ich schon einiges zur Geschichte Japans gelesen haben und anderen, die weder wissen was ein „Eta“ ist noch was der Anhang „ –san“ an einem Namen bedeutet.
Die Autorin versucht viele der Ausdrücke auch meist gleich zu erklären, sodass die Leser nicht ständig zwischen Glossar und Geschichte hin und her blättern müssen. Dadurch aber zieht sich manche Beschreibung und manche Szene etwas in die Länge.
Die Leser tun sich nicht schwer damit, in San Ichiro hinein zu schlüpfen, der Mann hat kaum Kanten, ist freundlich, bemüht, aufrichtig. Vor allem ist er, was einen guten Kriminalsten ausmacht, scharfsinnig und hartnäckig. Zudem ist sein Denken sehr westlich, er reflektiert was in seiner Umgebung alltäglich und gewöhnlich sein müsste. So bedauert er den grausamen Umgang mit Gefangenen, bemitleidet die Eta ein wenig, ekelt sich vor dem Geruch nach Urin im Gefängnis usw…
Andererseits, wenn sein Denken wirklich authentisch wäre, hätte er wenig Interesse daran gehabt, sich aus Wahrheitsliebe mit seinem Vorgesetzten anzulegen und den Fall aufzuklären.
Wer bei der Aufklärung von Kriminalfällen Scharfsinn und der Kriminallabor-Technik vorzieht und Spaß daran hat, die für einen historischen Roman selten verwendete Szenerie des alten Edo zu erkunden, soll sich nicht scheuen, die örtliche Bibliothek nach einem Abenteuer von San Ichiro abzusuchen.
Laura Joh Rowland
Der Kirschblütenmord
Gustav Lübbe Verlag 1996
ISBN: 3785708572
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