Blog: Topic Japan - Bücher und mehr: Where is Japan

Scan des Covers "Where is Japan?"

Andri Pol

Where is Japan

 

Sie suchen einen hübschen Bildband über Japans Sehenswürdigkeiten, mit Tempeln, die sich im Wasser spiegeln, stillen Gärten, leuchtenden Neonlichtern der Großstädte? Frauen im  Kimono vor Bambushainen? – Lassen Sie die Finger von diesem Buch.

Es gibt auch ein anders Japan als jenes der Postkartenwelt. Jeder, der länger dort lebt und arbeitet kennt dieses andere Japan. Dieses nicht saubere Japan, diesen bedecken, verhängten Himmel über den unzähligen Leitungen, die von Mast zu Mast hängen.  Er kennt auch diese Siedlungen, die aus Pappkarton errichtet wurden, wo blaue Folie den Regen abhält und Menschen sich zusammenkauern, die vom Rest der Gesellschaft vergessen wurden.

 

Wer die Kirschblüten bewundert, vergisst, dass all die zig tausenden Picknickfeiernden ihren Müll liegen lassen zwischen den Bäumen.

 

In diesem Buch gibt es auch hübsche Mädchen.  Sehr hübsche sogar mit perfekten Gesichtsformen, dunklen Haaren und glänzenden Augen. Sie stehen da, aufgereiht, noch ohne Köpfe, splitternackt.

Kunststoffpuppen in Lebensgröße.  Sie werden hergerichtet für ein männliches Publikum, das mehr möchte, als nur anschauen und aufstellen.

 

Aber auch lebende Mädchen sind zu sehen, Cosplayer in bunten Kostümen, weibliche Profiwrestler in ihren engen Anzügen.

Und auch Männer gibt es, solche in Anzügen und solche mit nacktem Hinter, die nicht bemerken, dass sie jemand beim Besuch in der Toilette abgeknipst hat.

Gewichtige Männer, Sumoringer  beim Aufwärmen, beim Training , junge, noch dünne Ringer beim Kehren und Staubsaugen, beim Kochen und wie sie brav hinter den großen, dicken Ringern bei Tisch stehen und warten, was für sie übrig bleibt.

 

Gebäude gibt es auch, viel Großstadt, alles grau, trist, gleichförmig. Leere Blumenkästen auf einem Dach, der Blick von oben auf ein Wirrwarr aus Schornsteinen und Satellitenschüsseln.

Zwei Fotos zeigen Männer beim Mangalesen in der U-Bahn, eines einen Käufer in einem Mangaladen.

Arbeitende Menschen,  Animedesigner an ihren überladenen Schreibtischen, wo kaum Platz für ein Zeichenblatt ist. Bunte Bilder aus verschiedenen Serien und Filmen, Plakate,. davor weiß und rot karrierte Hausschuhe. Für Besucher?

 

Eine Gruppe Angler fängt sich ihr Mittagessen oder sie entspannen. Männer in Jeans sitzen neben solchen in kurzen Hosen und die wiederum neben Anzugträgern. Alle sitzen auf umgedrehten Kisten. Gelbe Kisten.

 

Ein Mann lässt seine Boxershort (rot mit kleinen aufgedruckten Kätzchen) fallen. Sein Rücken, seine Arme und sein Gesäß sind tätowiert. Die Hose hängt noch an seinen Knien.

Der Mann neben ihm ist völlig nackt. Seine Tätowierungen reichen bis zu den Knöcheln, allerdings sind viele nur in Umrissen zu sehen, sind noch nicht mit Farbe ausgefüllt.

Noch mehr tätowierte Oberkörper, Drachen, Schlangen, Tiger.

Die nächsten zwei Bilder zeigen einen Boss in einem schwarz eingerichteten Arbeitszimmer. Ledermöbel, eine riesige Vase, ein Golfschläger lehnt an einem Schrank mit Glastüren. Eine ganze Gruppe, die aussieht, als hätte sie gerade in einem Yakuzafilm mitgespielt.

 

Das sind nur ein paar Eindrücke aus diesem  sehr großen, dicken (315 Seiten) und sehr, sehr schweren Fotoband.

Es sind Eindrücke, die so gewöhnlich, alltäglich und dennoch mitunter befremdlich sind, dass sie es selten in einen herkömmlichen Postkartenbildband schaffen.

Das einzige Manko dieses Buches ist die Qualität der Fotos. Sie sind leider nicht alle wirklich scharf und klar. Mitunter sehen sie aus, als wären sie zu stark belichtet worden.

 

Wer einen ungewöhnlichen Blick auf Japan wagen möchte, der kommt nicht an diesem Bildband vorbei.

 

 

Andri Pol

Where is Japan

Steidl Publishers 2010

ISBN 9783865219930

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